Geschichte des Konsul-Schachs
Konsul-Schach und wie es dazu kam – eine philosophische Betrachtung
Schon die alten Meister hatten die Idee, das traditionelle Schach zu reformieren. Bobby Fischer zum Beispiel wollte neue Varianten und Schwierigkeiten ins Spiel bringen, indem er die Figuren in der Grundaufstellung vertauschte. Diese Variante, zunächst „Fischerrandom“ genannt, ist später als „Schach960“ bekannt geworden und die einzige, die je als Anhang in die FIDE-Schachregeln aufgenommen worden ist. Oder andere Schachgenies wie die WeltmeisterJosé Raúl Capablanca oder Emanuel Lasker ärgerten sich damals schon über die vielen Remisen und hätten das klassische Schachspiel gerne mit zusätzlichen Figuren reformiert.
Im heutigen Zeitalter des Internets und der Schachcomputer sind die Grenzen des klassischen Schachs nahezu erreicht. Viele Millionen von Partien mit ihren Eröffnungen, Mittelspielen und Endspielen sind in Datenbanken archiviert und analysiert worden. Sie können dank Digitalisierung in Sekunden abgerufen werden. Die Menge an Schachwissen durch Schachbücher und digitale Medien hat durch die Mitwirkung von etlichen Generationen von Meisterspielern und Schachcomputern ein schier unübersehbares Niveau erreicht. Trotz der unzähligen Möglichkeiten, eine Schachpartie zu spielen, wird es gerade zwischen den stärksten Spielern der Welt immer schwieriger, mit klassischer Bedenkzeit überhaupt noch zu gewinnen.
Folgerichtig existieren inzwischen viele Versionen des Schachspiels. Brettgröße und -form, vielerlei neue Figuren mit neuen Gangarten, Grundstellungen und sogar mehr als zwei Spielern sind bekannt. Seit „Star Trek“ kann man Schach mittlerweile auch dreidimensional spielen.
Der gebürtige Ungar Tibor Nagy, der schon lange in Deutschland lebt, hatte schon vor Jahren die Idee, eine neue Schachfigur zu erfinden. Oft überlegte er, wie diese Figur wohl auf dem Schachbrett zu ziehen sein könnte. Es gibt ja schon etliche Schachversionen mit einer oder mehreren neuen Figuren, aber irgendwie haben diese Variationen nie so richtig die Schachwelt begeistern können.
Eines Tages jedoch sah Tibor eine Dokumentation im Fernsehen, in der über Militär und Reichweite von Waffen berichtet wurde. Und da kam ihm der Geistesblitz: er erfand eine Figur, die genauso zieht wie die Dame, die zwar eine geringere Reichweite hat, dafür aber andere Figuren überspringen kann. Diese Figur ist eine Schwerfigur, die ungefähr die Spielstärke der Dame hat, aber durch die Sprungmöglichkeiten im Nahkampf stärker ist. Jetzt musste nur noch ein passender Name für diese Figur gefunden werden. Namen wie Mandarin, Marshall, Sheriff, General oder Konsul gingen ihm durch den Kopf. Nach langem Überlegen entschied er, dieser Figur den würdevollen Namen „Konsul“ zu geben. Die Namensgebung ist bewusst gewählt, denn der Konsul war der höchste Amtsträger in der Römischen Republik bis zur Spätantike vor der Kaiserzeit.
Das Konsul-Schach entfernt sich deutlich weniger als andere Varianten vom traditionellen Schach. Die beiden Konsuln werden in der Grundaufstellung zwischen König und Läufer sowie zwischen Dame und Läufer platziert. Das Spielfeld wird dementsprechend um zwei Linien auf zehn erweitert. Die Anzahl der Reihen bleibt unverändert bei acht. Das neue Spielmaterial des Deutsch-Ungarischen-Schachs (wie Tibor seine neue Schachvariante zunächst benannte) besteht also aus einem 10x8-Schachbrett mit 80 Feldern und insgesamt 40 Steinen: 20 Bauern, 4 Springer, 4 Läufer, 4 Türme, 4 Konsuln, 2 Damen und 2 Könige. Der Konsul zieht wie die Dame, jedoch mit geringerer Reichweite bis zu maximal drei Feldern. Dafür darf der Konsul springen, aber nicht so „krumm“ wie der Springer, sondern im Rahmen seiner Zugrichtungen diagonal, horizontal und vertikal. Gesprungen werden darf nur über ein oder zwei unmittelbar nebenstehende Figur(en) und nicht über freie Felder.
Der Erfinder Tibor Nagy hatte noch eine weitere sensationelle Idee. Erstmals seit Erfindung der Rochade, können König und Turm auf fast der gesamten Grundlinie ihre Plätze tauschen. Beim Konsul-Schach gibt es somit nicht nur zwei, sondern 47 Möglichkeiten zu rochieren. Die übrigen Regeln für das Rochieren bleiben ansonsten erhalten. Zum Königsflügel sind nun 21 und zum Damenflügel 26 verschiedene Rochaden möglich. Diese Regel bringt weitere sehr interessante Varianten ins Spiel.
Das Konsul-Schach ist eine sehr gelungene Erweiterung zum traditionellen Schach. Die Wahrscheinlicheit eines Remis ist deutlich geringer! Es macht großen Spaß damit zu spielen. Wer die Schachregeln kennt, wird sich schnell in dieser neuen Version des Schach zurechtfinden und Schach ganz neu erleben.